Einleitung

Auf dieser im Rahmen eines überlangen Schulreferats entstandenen Webseite sind alle aus römischen Sagen bekannten Informationen über Lucius Tarquinius Superbus, den siebten und letzten König Roms zu finden.

Lucius Tarquinius Superbus ist eine der sagenumwobensten Personen der römischen Frühgeschichte, sogar in einem Gedicht Shakespears wird er erwähnt. Als grausamer Tyrann unterdrückte er das römische Volk; als Feldherr vergrößerte er das Gebiet Roms. Seinen Beinahmen "Superbus" erhielt er vom Volk: Er war als "Der Überhebliche" gemeint, Tarquinius Superbus verstand ihn allerdings mit der zweiten Bedeutung des lateinischen Wortes "superbus, a, um": Als "Der Stolze".

Zeitstrahl

Das Komplott

Servius Tullius, der sechste König Roms, verheiratete seine beiden Töchter mit den zwei Tarquinier-Brüdern, um diese für die verlorene Herrschaft zu entschädigen. Ihr Vater, der weise Tarquinius Priscus, dessen Vorfahren aus dem griechischen Korinth nach Rom gekommen waren, war nämlich der fünfte König Roms gewesen, doch dieser hatte nicht seine Söhne, sondern den Sklaven Servius Tullius aufgrund eines göttlichen Vorzeichens als Thronfolger eingesetzt.

Das Dumme bei der Heirat war, dass Servius Tullius seine streitsüchtige Tochter Tullia mit dem schüchternen Tarquinier-Bruder, und seine schüchterne Tochter mit dem streitsüchtigen Lucius Tarquinius verheiratete. Schon nach kurzer Zeit brachten Tullia und Tarquinius ihre Ehepartner um, um darauf einander zu heiraten. Durch Geschenke gewannen sie immer mehr Anhänger. Die ihren Ehegatten Lucius Tarquinius immer weiter drängende Tullia erreichte schließlich den Sturz ihres Vaters.

Mord und Machtergreifung

Schon bald nach der Heirat der beiden im Jahr 535 v.Chr. stürmte Lucius Tarquinius mit seinen Anhängern die Kurie und berief den Senat ein. Als der greise Servius Tullius kam, stieß er ihn die Treppenstufen der Kurie hinab und ließ ihn darauf ermorden. Als erschreckende blutige Tat ist bekannt, dass Tullia mit ihrem Wagen über die Leiche ihres Vaters hinweg fuhr, so dass das Blut nur so spritzte und dabei schrie "Es lebe König Tarquinius". Nicht einmal ein Begräbnis wurde Servius Tullius zugestanden.

Tyrannenherrschaft

Auch als König Roms erwies sich Tarquinius nicht weniger blutrünstig: er ließ seine Gegner bis auf den letzten ermorden. Ein bekanntes Beispiel ist die Ertränkung des Turnus Herdonius, welcher eine öffentliche Rede gegen Tarquinius Superbus gehalten hatte. Besonders die reichen Bürger Roms fürchteten die Mordlust des Tyrannen: Um seinem immensen Geldverbrauch, der vor allem durch seine Kriege und den vielen Prachtbauten wie des Jupitertempels verursacht wurde, zu stillen, ermordete er viele Reiche, um sich darauf deren Eigentum anzueignen. Um ganz alleine zu herrschen, setzte er den Senat ab. Nachdem er Servius Tullius fortschrittliche Gesetze abgeschafft hatte, zwang er das römische Volk zu Sklavenarbeiten an seinen Prachtbauten.

Allerdings vergrößerte er als großer Feldherr das damals noch kleine Rom durch seine massigen Kriege immens: die Größe Roms betrug zwischenzeitlich ganze 900km2, er eroberte beispielsweise die reiche Stadt Suessa Prometia, führte einen Krieg gegen die Volski und gründete die Kolonien Circia und Corceii. Als die Fronten beim Krieg gegen die Stadt Gabii erstarrt waren, gab sein Sohn Sextus Tarquinius vor, von seinem Vater schlecht behandelt worden zu sein und floh nach Gabii, wo er schon bald das Vertrauen der Stadträte und die Heeresführung gewann. Anschließend ermordete er alle Räte und öffnete die Stadtpforten für Tarquinius Superbus.

Auch politisch war Tarquinius Superbus ein gerissener Taktiker: Seine Tochter verheiratete er mit Octavius Mamilus, dem Herrscher der bedeutenden Stadt Tusculum. Mitunter wird er auch mit dem Kauf der drei Sibyllinischen Bücher in Verbindung gebracht, welche Weissagungen enthielten.

Die Vertreibung

Da sich die Römer nicht trauten, ihren Herrscher zu stürzen, halfen die Götter nach: Eines Tages im Jahr 509 v.Chr. sahen Sklaven aus einer Säule an einer der Prachtbauten eine Schlange herauskommen. Um die Bedeutung des schrecklichen Vorzeichens zu verstehen, schickte Tarquinius Superbus zwei seiner Söhne nach Delphi. Als Begleitung gab er ihnen den tölpelhaften Brutus mit, damit sie sich über diesen lustig machen konnten. Nachdem das Orakel von Delphi das Erscheinen der Schlange beantwortet hatte - was es damit prophezeit hat, ist erstaunlicherweise nicht überliefert -, fragten die zwei jungen Tarquinier, wer der nächste Herrscher Roms werden würde. Die Antwort des Orakels lautete "Wer als erstes die Mutter küsst". Doch bekanntlich sind Orakelsprüche zweideutig� Den eigentlichen Sinn der Prophezeiung erkannte bloß der "dumme" Brutus. Vor dem Tempel fiel er tölpelhaft hin und küsste die Erde - die gemeinsame Mutter aller. Die zwei Söhne des Tarquinius machten sich nur über ihn lustig, da sie die Prophezeiung nur auf sich bezogen und falsch verstanden hatten.

Als die drei wieder nach Rom kamen, war Tarquinius wieder einmal im Krieg. Sextus Tarquinius, ein anderer Sohn Tarquinius Superbus, wettete mit dem Legionär Lucrezius, wer die perfekte Ehefrau hätte. Als die beiden nach Rom ritten, sahen sie Sextus Tarquinius Frau mit fremden Männern. Als sie dagegen zu Lucrezia, Lucrezius Frau, ritten, war diese sehr freundlich zu den beiden. Grimmig über die verlorene Wette ritt Sextus Tarquinius in der nächsten Nacht alleine nach Rom und misshandelte Lucrezia, die darauf Selbstmord beging - allerdings nicht, bevor sie ihren Ehemann und Andere zur Rache an den Tarquiniern aufgerufen hatte.

Darauf organisierte Brutus, der sich nur als tölpelhaft ausgegeben hatte, um nicht von Tarquinius Superbus ermordet zu werden, einen Volksaufstand gegen die Tarquinier. Als Tarquinius Superbus davon hörte, ritt er sofort nach Rom, um den Aufstand niederzuschlagen, was ihm dank der von Lucrezius organisierten guten Verteidigung allerdings nicht gelang. Währenddessen ritt Brutus in das Feldlager der Römer, wo er alle Legionäre auf seine Seite ziehen konnte. So kam es schließlich zur Vertreibung der Tarquinier aus Rom.

Das römische Volk war sich einig, dass die Königsherrschaft nicht das ideale Herrschaftsmittel für Rom wäre. So entstand die römische Republik mit einer alle paar Jahren neu gewählten Doppelspitze: den ersten beiden Konsuln Brutus und Lucrezius. Der Senat wurde wieder eingeführt, ebenso Servius Tullius Gesetze.

Doch so gut die Vertreibung des Herrschers für das unterdrückte römische Volk auch war, war sie gut für Rom? Immerhin hatte Tarquinius Superbus Rom durch seine vielen Kriege immens vergrößert. Würden die eroberten Städte nun Befreiungsversuche unternehmen? Und würde Tarquinius Superbus einsehen, dass seine Zeit als König Roms vorbei war?

Die Rückeroberung - der Mordanschlag

Die Römer wollten ihrem vertriebenen König sein Vermögen zurückgeben, welches er in Rom hatte lassen müssen. Doch Tarquinius gab seinen Boten außerdem noch den streng geheimen Auftrag mit, seine verbliebenen Anhänger, die sich durch den Glanz der Prachtbauten und die erfolgreichen Kriege hatten blenden lassen, vollständig auf seine Seite zu ziehen. Zusammen mit ihnen planten Tarquinius Boten einen Mordanschlag auf die beiden Konsuln. In der allgemeinen Verwirrung wollten sie den Senat zur Wiedereinsetzung Tarquinius zwingen. Zum Glück für die römische Republik hörte ein Sklave alles mit und erzählte es gleich dem Volksfreund Publius Valerius, der es an Brutus weitertrug. Alle Verschwörer wurden hingerichtet, unter anderem Brutus eigene Söhne und Lucrezius Neffen. Lucrezius sah sich nicht fähig, so etwas mitzuerleben, weshalb er zurücktrat. Neuer Konsul wurde Publius Valerius. Der Sklave wurde übrigens der erste Freigelassen Roms.

Die Rückeroberung - mit Tarquinii und Veii gegen Rom

Tarquinius, der ärgerlich vom Scheitern seines Plans erfahren hatte, wollte noch nicht aufgeben: Er plante mit den Städten Tarquinii und Veii einen Feldzug gegen Rom. Die zwei gleichstarken Heere kämpften lange erbittert. Im Zweikampf fielen Brutus und ein Sohn des Tarquinius. Als die Kämpfe nachts, nach über 10 000 Toten, unterbrochen wurden, hörten die Soldaten beider Lager die Stimme des Waldgottes Silvius aus dem Wald: "Die Römer haben gewonnen, denn bei ihnen ist ein Mann weniger gefallen". Entmutigt vom Zeichen der Götter zogen die Heere der Städte Tarquinii und Veii ab. Doch Tarquinius wollte sich immer noch nicht geschlagen geben�

Die Rückeroberung - mit den Etruskern gegen Rom

Durch seine geschickten Schmeicheleien und Argumentationen schaffte es Tarquinius, den Etruskerkönig Porsenna für einen Feldzug gegen Rom zu gewinnen. Von der Stärke der neuen Republik beeindruckt, stellte dieser ein riesengroßes, sehr gut ausgerüstetes Heer zusammen. Die Römer sahen, dass sie keine Chance hatten, und ließen die Feinde bis an die Stadtmauern vorrücken. Schon bald machten die Etrusker einen Überraschungsangriff auf die ungeschützte Seite Roms, an der man einen Angriff am wenigsten erwartet hatte. Die Soldaten, die die Tiberbrücke, die direkt ins Herz der Stadt führte, bewachten, wollten die Flucht ergreifen, doch dann rief der mutige Legionär Horatius sie zurück. Sie sollten die Tiberbrücke einreißen während er diese gegen die übermächtigen Feinde verteidigte. Als die Brücke fast abgerissen war, hieß Horatius die zwei Legionäre, die ihm beim Verteidigen geholfen hatten, auf den letzten Pfosten der Brücke auf die andere Seite zu gehen. Gerade als sie drüben angekommen waren, brach die Brücke zusammen. Rom war gerettet! Horatius sprang darauf mit voller Rüstung in den Tiber. Dass er es schaffte, das rettende Ufer zu erreichen, war auch ein Wunder.

Den Etruskern war der Eintritt in die Stadt verwehrt worden, doch sie belagerten Rom weiterhin und plündern alle Versorgungszüge aus, so dass dem römischen Volk das Verhungern drohte. Da entschloss sich der junge Patrizier Mucius zu einer mutigen Tat: Mit Zustimmung des Senats machte er sich in etruskischem Gewand in das Etruskerlager auf, wo gerade König Porsenna und sein Schreiber den Sold an die Soldaten zahlten. Mucius drängte sich mit der Masse der Soldaten an den Geldausteiler hin und stieß ihm den Dolch in das Herz. Doch er hatte den königlichen Schreiber und nicht König Porsenna ermordet. Dieser befahl, Mucius sofort festzunehmen. Als Mucius nicht sprechen wollte, ließ König Porsenna als Folterinstrument ein Feuerbecken holen. Mucius streckte seine Hand dort hinein ohne mit einer Miene zu zucken. König Porsenna bewunderte den Mut des jungen Römers und schenkte ihm die Freiheit. "Da du so gütig zu mir warst, will ich dir etwas sagen: 300 römische Jünglinge haben sich zur selben Tat verschworen wie ich.", erfand der gerissene Mucius. Von ständiger Angst um sein Leben geplagt, zog Porsenna mit seinem riesigen Heer ab. Großzügig überließ er den hungernden Römern die Vorräte aus den Feldlagern.

Was wäre gewesen, hätte er Rom erobert? - Dann hätte es das berühmte Imperium Romanum wohl nie gegeben. Tarquinius Superbus wäre dies wohl egal gewesen - er wollte nur König Roms sein. Einen letzten Versuch, Rom zu erobern unternahm er noch.

Die Rückeroberung - mit Latium gegen Rom

Ruienen des Castor- und Polluxtempels

Tarquinius besann sich, dass die Städte Latiums ihm einst den Treueeid geschworen hatten. Schließlich konnte er sie dazu verleiten, einen Feldzug gegen Rom zu führen. In Rom wurde derweil für die Notzeit ein Diktator bestimmt. Der Krieg ging los, und die gleich starken Heere kämpften lange erbittert. Plötzlich erschienen Castor und Pollux, die zwei Zwillingssöhne Jupiters, am Himmel. Ermutigt davon schlugen die Römer die eingeschüchterten Feinde schon kurz darauf. Castor und Pollux zu Ehre wurde in Rom der Castor- und Polluxtempel errichtet, dessen Ruinen noch heute auf dem Forum Romanum stehen.

Das Ende

Nach vier erfolglosen Versuchen, wieder König Roms zu werden, gab Lucius Tarquinius Superbus endlich auf und floh in die Stadt Cumae, wo er im Jahr 496 v.Chr. als verbitterter Greis starb. Noch zwei Jahrhunderte später war in Cumae die Familie der Tarchna, was soviel wie Tarquinier heißt, zu finden. Vielleicht gibt es auch heute noch Nachkommen von Lucius Tarquinius Superbus?



Quellen

Hauptquelle zu diesem Beitrag ist das Buch "Römische Sagen" von Carstensen, Richard (Nacherzähler), erschienen bei dtvJunior 2006.